Tag 2 – Herr Müller ist unterwegs vom Kleinen Wentowsee in Richtung Neubrandenburg
Der Caravan-Mensch hat ein Bedürfnis nach Abgrenzung, das wird mir auf dem ersten Zeltplatz klar. Einerseits möchte er am Wochenende seinem Alltag entfliehen und sich unter seinesgleichen bewegen, anderseits ist der Wunsch nach Markierung der eigenen Parzelle so groß, dass sich mitunter illustre Szenarien entwickeln.
Beim Frühstückstee mit Herrn Müller wird das in seinem ganzen Ausmaß deutlich. Die Dauercamper am Rand meiner Zeltwiese sitzen entweder im Auto, das direkt neben dem Wohnwagen steht oder sitzen drin. ? Wohlgemerkt bei blendendem Wetter… Der Caravan steht in einem lieblos abgesteckten Areal, auch das Auto wird seitliche im Zaum gehalten!
Müller hockt im grünen Gemüse direkt an der Havel und verfolgt argwönisch den Verlauf der Aktion EINPACKEN und die Bewegungen der Nachbarschaft. Ich packe und trödle, Müller quakt was vor sich hin, plötzlich spring die Wohnwagentür auf wie eine Saloontür und der Nachbar klettert raus. Vor Schreck fällt Müller fast hinten rüber und flattert eine Sondierungsrunde.
Natürlich grüßt der Nachbar nicht, ich dann eben auch nicht und mache weiter. Er stellt sich an den Zaun und schaut auf die Havel, gelegentlich murmelt er was, dass ich nicht verstehe.
Als das Zelt verpackt ist und ich optisch wieder an meiner Umgebung teilnehme, entfährt mir ein hysterisches “Uuups!” denn der Nachbar steht in unmittelbarer Nähe in Unterhosen und Fleecejacke… gleichzeitig muss ich lachen und stecke das Gesicht in den Schlafsack, was ist denn hier los!? Pruust! ??
Der Todesbossa von Käpt‘n Peng holt mich zurück in die Realität: …mein Name wäre Peng und ich bin grade gestorben…. passt irgendwie.
Als ich nach Herrn Müller Ausschau halte, fällt mir auf, dass der in der Tat hinten rüber aus seinem Ausguck gefallen ist.
Wer könnte ihm das verdenken. Los geht’s!
Müller sitzt wie eine Gallionsfigur vorne auf dem Lenker.
Nachdem wir unseren Gedanken nach Sachsenhausen schwer nachhängen, geht es am Finowkanal längs. Hach, ist das schön hier!
Wir fahren eine ganze Weile, als ich von Ferne auf dem schnurgeraden Stück zwei Radler entdecke. Natürlich schön aufgeteilt auf rechts und links. Kurz bevor wir passieren, kommt das Unabwendbare, sie steigen auf die Räder ohne sich umzudrehen und zuckeln schwungsuchend vor sich hin. „Nicht klingen!“ mahnt Müller, „die sind deutlich Ü60 und drehen sich um!
Recht hat er, bevor wir zwei E-Bikes aus dem Kanal fischen, rollen wir brav hinterher.
Dank des motorgestützten Antriebs, nehmen sie Fahrt auf, blockieren aber immer noch die gesamte Wegbreite, da wittert er meinen Wunsch vorbei zu fahren und pölt sein Weib an, sie soll gefälligst auf die Seite fahren. Unverschämter geht es nicht, Müller und ich erwägen eine erzieherische Maßnahme. Als erstes überholen wir ihn und ich kann mir DEN bösen Blick nicht verkneifen. Müller kichert.
Sie gibt sich nicht so einfach geschlagen und dreht noch mal richtig am Gashahn… Ha! Aber nicht mit mir! Ich schalte einen Gang hoch und ziehe kräftig pedalierend an ihr vorbei, bevor sich der Weg verengt. Müller johlt und peitscht die Stimmung hoch, wir brettern eine Weile mit Vollgas den Kanal entlang, bis die beiden aus unserem Sichtfeld sind.
Läuft! ??
Am Ziegeleipark Mildenberg machen wir eine Rast.
Hier bekomme ich für 3,30 einen Kaffee, eine Apfelschorle und ein nettes Gespräch. Und über letzteres freue ich mich ganz besonders.
Dann geht es weiter durch eine Reihe kleiner Seen. Wir schlängeln uns an einer Ansammlung von Familien-Radfahrern nebst Erstradlern vorbei, die brav rechts und links stehen bleiben, als Mutti ruft, nehmen gerade wieder volle Fahrt auf und preschen um eine Kurve, als meine Gallionsfigur Müller kreischt: „Naaaaaatter voraus!!“ Ich ziehe die Bremsen und lasse die Ringelnatter, ich vermute, es war eine, über den Weg schlängeln. Dann fahren wir weiter. Sie hat hier selbstverständlich Vorrang! Gut gemacht Müller, lobe ich überschwänglich. Wir sind beide höchst zufrieden!
Auf dem Campingplatz werden wir nett empfangen, erhalten allerlei Informationen, werden über den Brötchendienst informiert und können gekühltes Bier kaufen. On top gibt es ein W-LAN Passwort, toll!
Kurz entschlossen wird heute Bier durcheinander Abend! Schon bei dem Gedanken fängt Müller an zu mosern, liest er meine Gedanken? Das Berliner Kindl bleibt deutlich hinter meinen Erwartungen zurück, also beschließe ich, ein Carlsberg mit unter die Dusche zu nehmen. Eine ebenso durchschnittliche Wahl stelle ich flugs fest und so bleibt Carlsberg auf dem blitzsauberen Waschbecken zurück…. ich glaub’ es geht los! Ein Becks gibt es noch, Müller stöhnt…
Fortsetzung folgt… ? ?
Beitrag von Nicole Ebler, Weinheim